Die Bundestagswahl 2017 sorgte dafür, dass das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ an Beliebtheit zulegte. Berichte über die neu gegründete Partei Bündnis Grundeinkommen (BGE) dürften dazu beigetragen haben. Außerdem wurde das bGE aufgrund der Aktivitäten von „Mein Grundeinkommen“ beflügelt – das bedingungslose Grundeinkommen als soziale Innovation. Es berührte die Menschen und wurde von einer zunehmenden Zahl von Medien beleuchtet. Folge: In der Google-Suche kletterte der Index in wenigen Wochen von 18 auf 88 Punkte.
Grundlage der Bewertung ist der Ländervergleich seit 01.07.2017
Möglicherweise etabliert sich sogar ein Trend, der sich in den nächsten Monaten fortsetzt. Denn angesichts des Wahlergebnisses und anhaltenden Kritik am bestehenden Sozialsystem in Deutschland könnte das bedingungslose Grundeinkommen ein Dauerthema werden. Die Wahl in Schleswig Holstein und sich daran anschließende Grundeinkommen-Diskussionen inspirieren WählerInnen und etablierte Parteien.
Wahlergebnisse Bundestagswahl 2017
Bremen 0,5 %, Stimmen: 1.791
Hamburg 0,5 %, Stimmen: 4.537
Berlin 0,4 %, Stimmen: 6.857
Brandenburg 0,4 %, Stimmen: 6.065
Thüringen 0,4 %, Stimmen: 5.302
Sachsen 0,4 %, Stimmen: 9.453
Schleswig Holstein 0,3 %, Stimmen: 5.662
Mecklenburg Vorpommern 0,3 %, Stimmen: 3.035
Sachsen Anhalt 0,3 %, Stimmen: 3.766
Hessen 0,2 %, Stimmen: 6.310
Saarland 0,2 %, Stimmen: 1.024
Rheinland Pfalz 0,2 %, Stimmen: 4.522
Niedersachsen 0,2 %, Stimmen: 8.077 (Hannover: 0,3 %, Stimmen 852)
Niedersachsen 0,2 %, Stimmen: 8.077 (Hannover: 0,3 %, Stimmen 852)
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- Steyerberg III 1,94%
- Samtgemeinde Dahlenburg 1,59%
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Baden Württemberg 0,2 %, Stimmen: 10.636
Nordrhein Westfalen 0,1 %, Stimmen: 9.992
Bayern 0,1 %, Stimmen: 10.357
Link: Wahlatlas Bundeswahlleitung
Das Bündnis Grundeinkommen Bremen erreichte zur Bundestagswahl 0,5 Prozent der Stimmen – ein überdurchschnittlicher Wert. Wie hat das der Landesverband Bremen geschafft? Mit viel Kreativität der Graswurzelbewegung und zahlreiche UnterstützerInnen. Das bedingungslose Grundeinkommen ist in Bremen schon seit Jahren ein öffentliches Thema.
Das zeigt der Film von den Aktivisten aus Bremen:
Das gute Ergebnis in Bremen wird im Vergleich mit Hannover sichtbar: Bremen hat ungefähr die gleiche Einwohnerzahl wie die niedersächsische Landeshauptstadt. 1.791 Stimmen gab es, während Hannover nur 852 Stimmen zur BTW erhielt. Anhand der Zahlen kommen die Unterschiede zum Ausdruck – und Hannover hat dabei noch reichlich Nachholpotenzial: Hier geht es darum, den Kreis der UnterstützerInnen zu vergrößern, damit eine kontinuierliche Arbeit wie in Bremen möglich wird.
Mit Google Trends waren die Wahlergebnisse prognostizierbar – nur Hamburg überraschte
Im Ländervergleich zeichnete sich schon im Juli 2017 der Trend ab: Brandenburg, Berlin und Bremen waren schon vor Monaten die Favoriten – und das bestätigte sich nun.
Überraschend beim Vergleich der Google-Trends-Statistik: Auch in Hamburg gab es mit 0,5 Prozent ein gutes Ergebnis, obwohl das Thema nur mittelprächtig in der digitalen Welt bei Google nachgefragt war. Offenbar trugen die Aktivitäten im realen Leben und das seit Jahren aktive Hamburger Netzwerk Grundeinkommen zum guten Ergebnis bei.
Eine Online-Präsenz in Hamburg spielte eine untergeordnete Rolle – auch in den Großstädten der anderen Bundesländer zu beobachten.
Flächenländer mit guten Ergebnissen
Auch die Auswertung für die unteren Plätze traf zu: Bayern, NRW, Baden Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen bilden bei der Bundestagswahl 2017 die Schlusslichter. In den Ländern gab es bisher kaum Interesse am Thema (erkennbar am schwachen Such-Index bei Google Trends), so dass die Wahlergebnisse erwartbar im unteren Bereich blieben.
Offenbar kommt das bedingungslose Grundeinkommen in den Städten besonders gut an. Aber die Schlussfolgerung, dass Stadtstaaten es besonders leicht hätten, auf das Thema aufmerksam zu machen, greift zu kurz. Denn auch in den Flächenländern Brandenburg, Thüringen und Sachsen erzielte das Bündnis Grundeinkommen ein gutes Ergebnis.
Etwas enttäuschend: Mecklenburg Vorpommern. Das Land rutschte beim Google Trends-Ländervergleich von 82 Punkten im Januar auf zurzeit nur noch 65 Punkte ab (Oktober) – das Mittelfeld. Dazu passt das Wahlergebnis mit 0,3 Prozent.
2014 gehörte Mecklenburg Vorpommern zu den stärksten Bundesländern mit dem Potenzial, viele WählerInnen zu erreichen. Was ist 2017 passiert? Das „bGE-Kraftzentrum“ des Bundeslandes, Susanne Wiest, wurde zur Parteivorsitzende des Bündnis Grundeinkommen gewählt. Damit stand sie für die Entwicklung im Bundesland nicht mehr zur Verfügung, was sich anhand der Google-Statistik ankündigte und auch mit dem Wahlergebnis sichtbar wurde.
Offenbar sorgte die Bundes-Parteiorganisation für zusätzliche Verwaltungsarbeit, die im politischen Landes-Alltag fehlte. Teilhabe in politischen Führungspositionen benötigt zuarbeitende MitarbeiterInnen – ein Backoffice, um die Außenwirkung zu verbessern.
Ein interessantes Detail bietet Nordrhein Westfalen: Die Grundeinkommen-Partei erreichte 9.992 Stimmen. Das sind 89 Prozent mehr Stimmen als bei der Landstagswahl (5.279 Stimmen). Somit kann unterstellt werden, dass das bundesweit gestiegene Interesse nach Nordrhein Westfalen schwappte und sich die Unterstützersituation verbesserte. Die hohe Bevölkerungsdichte mit 17,8 Mio EinwohnerInnen bietet reichlich Potenzial bei künftigen Wahlen.
Schleswig Holstein, hier hatte ich im Ländervergleich am 01.08.2017 geschrieben:
Das Bündnis Grundeinkommen und Bündnis 90/Die Grünen haben es in Schleswig Holstein leichter als in anderen Bundesländern. Wenn Schleswig Holsteins Bürger erfahren, dass das Grundeinkommen wählbar ist, dürfte die Parteien in dem Bundesland ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen.
Das BGE SH blieb trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit im oberen Mittelfeld mit 0,3 Prozent. Angesichts des deutlich gestiegenen Bekanntheitsgrads wäre zwar ein besseres Ergebnis möglich gewesen. Aber in der Praxis kam es darauf ein, in den Städten und Gemeinden einen Unterstützerkreis an der Seite zu haben. Das gelang in einigen Wahlbezirken, zum Teil mit überdurchschnittlichen Ergebnissen (Travemünde Innenstadt 1,0 Prozent, Kiel 0,4 Prozent) – in der Fläche und in anderen Städten jedoch nicht.
Exkurs: Die Grünen in Schleswig Holstein
Im Norden hatten es die Grünen leichter: Sie trugen das bedingungslose Grundeinkommen in den Landtag und profitierten davon. Während die Partei im Bund bei 8,9 Prozent lag, erreichte sie in Schleswig Holstein 12 Prozent (BTW 2013: 9,4%, LTW 2017 12,9%). Allerdings sind die Grünen in Schleswig Holstein ohnehin stark aufgestellt, so dass auch andere Themen die Wahl begünstigten.
Landesvorsitzender der Grünen in SH ist Arfst Wagner, der sich national und international für das bedingungslose Grundeinkommen engagiert. Sollte er in der Bundespolitik eine relevante Rolle übernehmen, könnte das bGE innerhalb der Grünen auch an Priorität gewinnen.
Tue Gutes und rede in regionalen Netzwerken darüber
Die Kunst, bei Wahlen eine Rolle zu spielen, besteht darin, drei Faktoren zu erfüllen:
- Ein gesellschaftlich relevantes Thema besetzen, das im öffentlichen Diskurs durch Dritte behandelt wird – auch mit regionalen Schwerpunkten.
- In Ländern, Städten, Gemeinden Unterstützer-Netzwerke und Bürgerinitiativen aufbauen, die vor Ort durch persönliche Begegnungen Vertrauen schaffen und Kampagnen sowie Projekte durchführen.
- Teams für Internet und digitale Netzwerke unterstützen dabei.
Der größte Gewinn der Bundestagswahl des Bündnis Grundeinkommen bestand darin, dass die Akteure einander kennenlernten, neue Unterstützerkreise entstanden – und vor allem: Auf 45 Millionen Wahlzetteln wurde das Grundeinkommen als Thema beschrieben. Darauf lässt sich aufbauen. Erkenntnisse können bei künftigen Wahlen angewendet werden.
Zur Landtagswahl Niedersachsen 2017
Aufgrund der Vorverlegung der Wahl von Januar 2018 auf Oktober 2017 ist ein Wahlergebnis des Bündnis Grundeinkommen im Bereich der BTW erzielten 0,2 Prozent zu erwarten. Eine auf das Bundesland zugeschnittene Kampagnenplanung war kaum möglich – eine Folge der vorzeitigen Parlamentsauflösung.
Es kann bereits vor der Wahl gefeiert werden: Der Partei gelang es, innerhalb weniger Wochen 2.187 Unterstützungsunterschriften zu sammeln – über zweitausend Menschen, die innerhalb kürzester Zeit erklärten, dass sie das bedingungslose Grundeinkommen im niedersächsischen Landtag sehen möchten.
In der Öffentlichkeit kaum bekannt: Zur Bundestagswahl unterstützte der Landesverband auch andere Bundesländer beim Sammeln der erforderlichen Unterstützungsunterschriften.
Mit der solidarischen Teamleistung ist sichtbar, dass hier in den nächsten Jahren ein besonderes Potenzial gehoben werden kann. So ist es bedauerlich, dass die nächste Landtagswahl voraussichtlich erst 2022 stattfinden wird. Die lange Wartezeit könnte genutzt werden für öffentlichkeitswirksame Kampagnen bis hin zu einer Abstimmung über das bedingungslose Grundeinkommen (s.a. aktuelle Kampagne Omnibus für direkte Demokratie).
Die Artikel 47 (Volksinitiative), 48 (Volksbegehren) und 49 (Volksentscheid) der Niedersächsischen Verfassung ermöglichen den niedersächsischen Bürgerinnen und Bürgern eine unmittelbare Beteiligung an demokratischen Vorgängen. Sie können durch die Abstimmungsinstrumente „Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid“ bestimmen, dass sich der Niedersächsische Landtag mit gewissen Sachthemen beschäftigen oder über Gesetzentwürfe beschließen muss oder sie können selbst abschließend über durch Volksbegehren eingebrachte Gesetzentwürfe abstimmen.
Der Landesverband Niedersachsen wird zurzeit getragen von einer Handvoll UnterstützerInnen in Göttingen, Hildesheim, Braunschweig, Osnabrück, Lüneburg, Oldenburg, Stade. Weil sich die Grundeinkommen-Initiativen jahrelang im Tiefschlaf befanden, spielt das Thema in Niedersachsen nur eine untergeordnete Rolle im öffentlichen Diskurs. Die Wahl und damit verbundene Aufmerksamkeit kann dazu genutzt werden, die Unterstützerkreise zu vergrößern, um für künftige Wahlen und Abstimmungen bessere Voraussetzungen zu schaffen.
Weitere Informationen, Kontakt und Veranstaltungen: https://ni.buendnis-grundeinkommen.de/
Die weitere Entwicklung wird im Ländervergleich beobachtet und bei Bedarf zu aktuellen Ereignissen kommentiert.